Test: Triumph Tiger 800 (XC)

Translate Request has too much data Parameter name: request Translate Request has too much data Parameter name: request Nur dreieinhalb Jahre lagen zwischen dem ersten Entwurf und der Prasentation beider Tiger-Versionen. Jetzt sind sie da. Wie, wo und ob die neuen Triumph-Modelle funktionieren, hat MOTORRAD in Spanien ausprobiert.
In diesem Artikel: Triumph Tiger 800


Die Informationen kamen happchenweise. Auf ihrer Homepage prasentierten die Briten wochenlang Videofetzen mit Fahrsequenzen der neuen 800er-Tiger. Ein Motorrad fur Abenteuerhungrige, das in zwei Versionen erhaltlich ist: Wahrend die Basisvariante alle Landstra?en-Fans kodern soll, hofft Triumph mit der XC-Version einen echten Gegner fur die erfolgreichen BMW GS-Modelle auf den Weg zu schicken. Die Videos waren vielversprechend. Man durfte also gespannt sein. Die Spannung wurde am Vorabend des ersten Fahrtags noch geschurt, denn das gleiche Entwicklungsteam, das fur den sensationellen, 675 Kubik starken Dreizylinder verantwortlich war, hat auch den 800er-Motor konstruiert. Da legt man sich mit einem dicken Lacheln im Gesicht ins Bett.


Und steht mit Selbigem wieder auf. Sonne satt, Magen gefullt, Zundschlussel in der Hand, Tank randvoll. Beste Voraussetzungen fur einen ausgedehnten Ritt uber gewundene spanische Hinterlandstra?en, denn 19 Liter fasst das Spritfass. Falls der neue Drilling also funf Liter auf 100 Kilometern durch die Drosselklappen jagt, kame man 380 Kilometer weit. Eine stramme Tagesetappe, die am ersten Fahrtag ausschlie?lich auf der Basisversion runtergeritten wird. Aufsteigen. Wohlbefinden stellt sich ein. Ein Alu-Lenker, der gut in der Hand liegt, akzeptabler Kniewinkel, Hebel und Schalter dort, wo sie hin gehoren. Der Sitz ist breit, komfortabel gepolstert und mit nur 810 Millimetern nicht allzu hoch. Mit zwei Handgriffen kann die Sitzhohe sogar noch um 20 Millimeter abgesenkt werden. Das Cockpit mit seiner Fulle von Informationen ist gut ablesbar. Doch das Wichtigste fur solch ein Bike ist ebenfalls perfekt: Die Anmutung stimmt. Das riesige Spritfass in Einklang mit Haltern, Instrumenten und Scheibe - da fahrt das Auge mit, sofort kommt Fernweh auf.


Es wird bereits auf den ersten Metern kuriert. Die Tiger zeigt sich von ihrer Schokoladenseite. Leichtfu?ig und gut ausbalanciert lasst sie sich durch stauende Autos bugsieren und befolgt Gasbefehle verzogerungsfrei und direkt. Fahrtroute, wie war die noch? Erste rechts, zweite links, abbiegen - verpasst. Verbockt. Hier geht es auf die Autobahn. Egal. 130 km/h sind erlaubt. Und die stehen ruck zuck auf dem Digitaltacho. Jetzt dreht der Dreizylinder moderate 6000 Touren im sechsten Gang, der als echter Fahrgang und nicht als drehzahlschonender Overdrive ausgelegt ist. Der Windschutz der kleinen Scheibe ist uberraschend gut, Turbulenzen halten sich in Grenzen und der Popo wird langstreckentauglich umsorgt. Zudem lauft der Motor seidenweich. Derart umschmeichelt, rauscht die spanische Landschaft vorbei. Man konnte ewig so weiterfahren. Ewig.


Erste Abfahrt, weiter Rechtsbogen. Abklappen in Schraglage, Zielbremsung vor der Mautstation. So macht Motorradfahren Spa?. Alles passt, befindet sich im Einklang. Das Kuppeln ist perfekt dosierbar, leichtgangig, und die Gange flutschen ohne das Triumph-eigene, knochig-harzige Schalt-erlebnis. Selbst die Bremsen brillieren mit effektiver Verzogerung, wenngleich alle hier zur Verfugung gestellten Motorrader ohne ABS waren. Die Produktion von ABS-Maschinen erfolgt erst ab Februar 2011.


Mautgebuhr zahlen, Geldborse reinfummeln, rein ins Kurvendickicht. Nicht jeder Fan des famosen 675er-Motors, der als Pate fur den 800er stand, wird auf Anhieb begeistert sein: Der neue Dreizylinder agiert nicht so gierig wie sein kleiner Bruder. Das lusterne Hochdrehen und die Drehzahlsucht des 675ers sind dem 800er-Aggregat fremd. Es mag daran liegen, dass er langhubiger ausgelegt ist, 85 Prozent aller Bauteile neu gezeichnet wurden und die Schwungmasse wahrscheinlich auch gro?er ist. Doch wer den 675er nie gefahren ist, wird nichts vermissen. Das, was der 800er mit der 210 Kilogramm schweren Tiger anstellt, ist namlich schlicht der Wahnsinn. Zwischen 2000/min und 9500/min sollen immer uber 70 Newtonmeter zur Verfugung stehen, die Maximalleistung von 95 PS liefert der Dreizylinder bei 9300 Umdrehungen. Das wirkt durchaus glaubwurdig. Es liest sich vielleicht merkwurdig, aber durch seine vorbildliche Elastizitat lasst sich die Tiger fast wie ein Elektromobil fahren. Man fahrt los, kann ab 40 km/h den funften Gang einlegen und ihn, vorausgesetzt man meidet Ampeln, fur den Rest der Reise drin lassen.


Der Vertrauen erweckende Einklang zwischen Mensch und Maschine, den die Tiger gleich beim ersten Kontakt herstellt, ist famos. Das Lenkverhalten auf den Pirelli Scorpion Sync ist zwar nicht ultrahandlich, doch der Reifen bietet satten Grip und gutes Feedback durch seine gelungene Eigendampfung. Auf Lenkkorrekturen in Schraglage reagiert die Tiger gelassen und wird nicht nervos. Auch der Wendekreis - bei den 675er-Modellen Street Triple und Daytona stets ein Argernis - ist bei der Tiger kein Thema mehr. Ihr Lenkeinschlag ermoglicht Wendemanover auf engsten Stra?en. Selbst das Feedback der Fahrwerkskomponenten uberrascht, da bei der Standard-Ausfuhrung nichts weiter einstellbar ist au?er der Basis des Federbeins. Die Fahrwerksauslegung ist ein gelungener Kompromiss zwischen Komfort und Sport. Schneller als erwunscht sind die Kilometer abgespult und das Bike ist wieder in den Handen der Briten. Der Bordcomputer berichtet von einem Durchschnittsverbrauch von 5,8 Litern Super auf 100 Kilometern. Das ist akzeptabel. Gute Nacht.


Nachster Morgen. Die XC-Version steht bereit. Sie wirkt allein optisch wuchtiger. Und ist es auch, denn ihr Lenker ist breiter, die Fahrwerkskomponenten sind stabiler ausgefuhrt, die Federwege langer (siehe Infokasten Seite 36) und der Sattel dadurch um 35 Millimeter hoher. Brause auf - hoppla, das Rad steigt schneller als einem lieb ist - und ab ins Abenteuer. Die ersten Kilometer werden onroad abgespult. Hier lenkt die offroadtaugliche Variante mit ihrem schmaleren aber gro?eren 21-Zoll-Vorderrad und den insgesamt funf Kilogramm Mehrgewicht etwas trager als ihre Schwester.


Die langeren Federwege lassen zwar mehr Bewegung im Fahrwerk zu, richtig ungemutlich oder gar unkontrollierbar wird es jedoch auch bei engagierter Kurvenhatz nie. Die XC bleibt in allen Situationen stabil. Und hinterlasst einen sehr ausgewogenen Eindruck. Wahrend die Basis-Tiger als Zwitter aus Enduro, Supermoto und Naked Bike den Begriff Funduro verdient, stellt sich die XC als Freundin vor, die mit dir im Wortsinn durch Dick und Dunn fahren will.


Und da geht es zum Abschluss auch hin. Auf langen Schotterpassagen mit moderaten Auffahrten und nervigen Quer- wie Langsrillen darf die XC ihre Qualitaten ausspielen. Fur die zugige Hatz durchs Gelande sind die Federelemente zu weich ausgelegt, doch die Maschine folgt selbst beim Spurrillenwechsel dem Lenkimpuls. Vor allem die sehr lineare Leistungsabgabe des Motors gefallt, Drifts sind easy und sehr kontrollierbar durchfuhrbar. Vollgetankt wirkt die Tiger etwas kopflastig, die Teilung des Tanks verhindert starkes Benzinschwappen und damit verbundene storende Impulse. Und als man nach Dutzenden von Kilometern im Dreck wieder onroad aufbiegt, stellt sich wieder dieses Gefuhl ein, es hatte ewig so weitergehen durfen. Was will man eigentlich mehr, als eine Maschine, die standig Urlaub mit einem machen mochte und selbst bei Schlechtwetter nicht mault?


Mit 10540 Euro inkl. ABS und Nebenkosten liegt die Tiger 800 XC (Basis-Version: 9740 Euro) leicht unter dem Preis des einzigen ernsthaften Gegners, der BMW F 800 GS. Ob sie besser als die Bayerin ist, wird sich im Vergleichstest zeigen. Fest steht jedoch jetzt schon: Die Tiger 800 ist ein gelungener, vielleicht sogar gro?er Wurf. Insgesamt 1000 Exemplare will der deutsche Importeur im kommenden Jahr in Deutschland absetzen, 7500 Maschinen sollen es weltweit werden. Die Tiger werden also doch nicht aussterben.