Beim Rausballern aus den Ecken zieht dein Vordermann brutal davon. Er offnet fruh und hart die Brause und schenkt dir am Kurvenausgang immer einige Meter ein. Du hast keine Chance, an der gleichen Stelle ebenso heftig am Quirl zu drehen, sonst landest du im Kies. Powerma?ig herrscht Gleichstand, beide Tausender marschieren wie Holle. Auch das Fahrwerk arbeitet erstklassig und dein Bike rollt ebenso auf Slicks wie das deines Gegners. Warum zieht es ihn dann bei derartigen Brutalo-Manovern nicht vom Bock? Weil bei profillosen Gummis teils gro?e Unterschiede herrschen und er die richtige Pelle aufgezogen hat. Marke und Typ? Das verrat PS spater!
Zunachst zum Anspruch dieses Tests: Es gilt, jene Slicks in Superbike-Dimension (hinten in 190er-Gro?e) aufzuspuren, die die ideale Synthese aus erstklassigen Fahreigenschaften und Langlebigkeit bilden. Dementsprechend bestellte PS bei Bridgestone, Continental, Dunlop, Metzeler, Michelin und Pirelli Slicks, die idealerweise ein zweitagiges Renntraining uberstehen und dennoch reichlich Grip bieten. Um speziell gebackene Reifen auszuschlie?en, behielt sich PS vor, die Gummis gegen Regalware beim Handler zu tauschen.
Drei der Reifenbacker - Dunlop, Metzeler und Pirelli - schickten jeweils zwei verschiedene Slick-Typen ins Rennen. Je eine gema?igte und eine scharfe Pelle. Um sie zu unterscheiden, bezeichnet PS sie als "Hobbyslick" und "Profislick". Samtliche wichtige Daten der Reifen stehen in den einzelnen Bewertungskasten. Metzeler und Pirelli bescheinigen ihrer Hobbyware langere Laufleistungen; bei Dunlop steht der wesentlich gunstigere Preis der Hobbyreifen im Vergleich zum Profislick aus gleichem Haus im Vordergrund. Mit uber 420 Euro/Satz ruft Dunlop fur die Profiware (KR 106/108) zirka 120 Euro mehr auf als fur den GP-Racer Slick, der das Rennbudget fur Lizenzfahrer pro Satz mit rund 300 Euro belastet. Um dieses Preisniveau bewegen sich auch die Gummis der meisten Mitbewerber. Die Preisangaben dienen zur groben Orientierung und konnen von Handler zu Handler schwanken. Interessanterweise bietet kein Hersteller seine Slicks wesentlich gunstiger an als entsprechende Schluffen fur offentliche Stra?en, obwohl die Backformen der profillosen Pneus um ein Vielfaches preiswerter ausfallen.
Um die Unterschiede zwischen Slicks und stra?enzugelassenen Supersportreifen auf der Piste aufzuzeigen, orderte PS zusatzlich einen Satz Pirelli Diablo Supercorsa SP - eine der schnellsten Pellen mit Zulassung. Das andere Extrem bildet der Pirelli Diablo Superbike in SC 1-Mischung. Er soll exemplarisch die Leistungsfahigkeit sehr weicher Rennreifen veranschaulichen. PS testete alle Reifen auf dem gro?en Handlingkurs im Contidrom, einem Testareal von Continental nahe Hannover. Auf dieser Strecke herrscht so viel Grip, dass der weiche Pirelli keine Vorteile verbuchen kann. Im Gegenteil: Beide Tester umrundeten den Kurs mit der Standardmischung "SC 2" um wenige Zehntelsekunden schneller. Da PS den Reifenverschlei? nicht in die Wertung aufnimmt - eine aussagekraftige Beurteilung wurde den Rahmen dieses Tests sprengen - und die unterschiedlich weichen Pirellis sonst die gleichen Fahreigenschaften aufweisen, beurteilt PS die softe Mischung nicht gesondert.
Einen weiteren Reifen nahm PS ebenfalls aus der Wertung - leider aus anderem Anlass. Die Michelin-Slicks harmonierten nicht mit dem Testmotorrad, einer bis auf ein Zubehorfederbein serienma?igen Suzuki GSX-R 1000 aktuellen Baujahrs. Beim harten Beschleunigen schaukelte sich das Bike stark auf und begann wild zu pendeln. Mit diesem Reifen schnelle Runden in den Asphalt zu brennen, war unmoglich. Versuche mit anderen Luftdrucken brachten keine Besserung. Auf Nachfrage beim Hersteller erlauterte Michelin, die Reifen benotigten aufgrund ihres Aufbaus eine sehr harte Grundabstimmung des Fahrwerks. Trotzdem schickte PS die Slicks zur Untersuchung und mit der Bitte um eine Stellungnahme zu Michelin. Ein Nachtest folgt.
Kommen nur Profis mit den Superklebern zurecht? Mit welchen Eigenheiten mussen Hobbypiloten rechnen? Auf der Suche nach Antworten schickte PS Christian "Kelle" Kellner sowie den Autor dieser Geschichte ins Runde. Kelle ist ehemaliger WM-Pilot und zieht aktuell in der Supersport-IDM kraftig am Kabel. Er analysiert das Verhalten im Grenzbereich und beurteilt die Gummis aus Profisicht. Den Hobbypart ubernimmt der Autor.
Erfreulicherweise verhalten sich samtliche Gummis sehr benutzerfreundlich und selbst Hobbyfahrer kommen mit den schnellen Pellen wunderbar zurecht, wenn sie a) zirka 45 bis 60 Minuten vor dem Feilen Reifenwarmer aufziehen, b) den vom Hersteller empfohlenen Luftdruck beachten (Achtung: Die Angaben gelten teils fur vorgeheizte, teils fur kalte Reifen) und c) jenen Gummi aufziehen, den der Reifenbacker fur die jeweilige Strecke und die herrschenden Asphalttemperaturen empfiehlt. Definitiv keine Slicks benotigen absolute Rennstrecken-Neulinge oder sehr langsame Piloten. Bei ihnen konnten die Gummis so stark abkuhlen, dass sie ihre positiven Fahreigenschaften verlieren.
Metzeler und Pirelli schreiben fur ihre Hobbyslicks nicht zwingend Reifenwarmer vor: "Bereits nach einer halben Runde verfugen der Metzeler Racetec CompK sowie der Pirelli Diablo Superbike Pro uber genugend Temperatur fur die flotte Gangart", versichert ein Sprecher. Tatsachlich fuhlen sich die Pneus im Kaltzustand uberraschend gefallig an. Trotzdem empfiehlt PS, die Gummis erst nach zwei Runden bei langsam gesteigertem Tempo voll zu belasten. Ganz auf Nummer sicher geht, wer auch diese Reifen vorwarmt.
Serienma?ig rollt die GSX-R 1000 auf einer flachen hinteren Pelle mit 50er-Querschnitt. Eine aussterbende Spezies, die nur noch zwei Fahrzeughersteller von Supersportlern (Suzuki und Honda) als Erstausrustung verwenden und in absehbarer Zeit in neuen Supersport-Bikes wohl nicht mehr verbaut werden. Samtliche Slicks weisen einen hoheren Querschnitt auf. Vorteil: Die Kontur ist starker gewolbt, wovon das Handling profitiert. Au?erdem verfugt der Reifen dank der hoheren Flanke uber mehr Eigendampfung, was dem Komfort zugutekommt. Last but not least tragen die Hersteller der immensen Motorleistung aktueller Superbikes Rechnung, indem sie den Aufbau des Reifens stabiler auslegen konnen, ohne dessen Fahreigenschaften negativ zu beeinflussen. Wegen des hoheren Querschnitts der Slicks gerat ihr Abrollumfang gro?er. Der Serienreifen Bridgestone BT 016 misst 1970 Millimeter; die profillosen Gummis liegen mit 2040 bis 2069 Millimetern rund 70 bis 90 mm oberhalb des Serienpendants. Dadurch gerat das Heck der Suzi hoher - je nach Reifen zwischen rund 10 und 15 Millimeter. Theoretisch gewinnt das Bike dadurch an Handling und bu?t im Gegenzug etwas Hochgeschwindigkeits- sowie Bremsstabilitat ein. Letztgenannte Eigenschaften traten nicht auf, die Gixxer verhielt sich in allen Disziplinen vorbildlich.
Wie ihre Gummis mit Stra?enzulassung, so entwickeln die Hersteller auch die Slicks permanent weiter. Nicht selten flie?en die Verbesserungen wahrend der Saison unbemerkt in die Produktion mit ein. Da die gesamte Reifenindustrie ahnlich vorgeht, sollte sich die Rangordnung in der kommenden Saison nicht wesentlich verschieben. Komplette Neukonstruktionen fur 2011 kundigten die Erzeuger jedenfalls nicht an.
Fazit: And the winner is... Pirelli! Der Profislick Diablo Superbike in SC 2-Mischung punktet reichlich in allen Disziplinen und kennt keine Schwachen. Knapp dahinter lauft der Dunlop KR 106/108 ins Ziel - ebenfalls Profimaterial. Lediglich beim Handling in Wechselkurven muss der Dunlop Federn lassen. Interessant: Ausschlie?lich diese beiden Hersteller machen in der Superbike-IDM seit Jahren den Titel unter sich aus. Die gute Nachricht fur Hobbyracer: Auch sie kommen bestens mit Profislicks zurecht, wenn sie die im Haupttext geschilderten Dinge beachten. Wer gro?e Laufleistungen bevorzugt, greift zum Hobbymaterial von Metzeler oder Pirelli.
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