Test: Wunderlich BMW S 1000 RR and Triplespeed KTM SD8

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Test: Wunderlich BMW S 1000 RR und Triplespeed-KTM SD8
Ab 7000 Umdrehungen hat der Spa? ein Loch. Im vierten Gang steigt der angezeigte Speed auf dem Multifunktionsinstrument der Wunderlich-S 1000 RR auf uber 200 und die Holle bricht erneut los. Der hullenlose Vierzylinder schiebt an wie Hulle, die Arme werden langer und langer, der Kopf kippt unweigerlich und unaufhaltsam nach hinten. 230 km/h, 240 km/h, der Helm bekommt nun richtig viel Auftrieb und versucht sich vom Kopf zu heben. Sein Riemen schneidet fest und schmerzhaft in den Unterkiefer, die angespannte Oberkorpermuskulatur beginnt zu schmerzen. Funfter Gang - Durchhalten! 250 km/h, 260 km/h, endlich taucht die Einfahrt zum sehr schnellen Rechtsbogen des Contidrom auf. Aufrichten, kurz bremsen, wieder den Vierten einlegen und mit uber 200 km/h in Schraglage klappen. Mit schleifendem Knie entspannt sich der Rest des Korpers wieder, die Wut und Vehemenz der Beschleunigung und des damit verbundenen Winddrucks sind erst einmal uberstanden. Ist echt eine spitzenma?ige Idee, einem uber 200 PS starken Superbike die Verkleidung zu rauben und dann damit auf einer Rennstrecke herumzuballern.
Aber wie hei?t es so schon: Ist es zu stark, bist du zu schwach ... Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, wer von uns ist denn immer und zu jeder Zeit vernunftig? Und vor allem: Wie viel Spa? und Lebensqualitat gehen verloren, wenn man nur so tickt?
Wunderlich taufte das nackte S 1000 RR-Projekt nicht umsonst Piranha, denn oberhalb der 7000er-Marke zieht einem die gestrippte BMW schneller die Kraft aus den Armen, als ein Schwarm der kleinen Raubfische benotigt, um eines ihrer Opfer zu verschlingen. Und damit waren wir auch schon beim einzig nicht wirklich stimmigen Detail der S 1000 RR-Naked: Ihre Leistungscharakteristik ist fur ein hauptsachlich auf der Landstra?e ausgefuhrtes Motorrad einfach zu spitz. Lassiges Herauspowern aus Kehren oder sportliches Andrucken aus dem Drehzahlkeller in Kombination mit relaxter Asphaltmalerei in Form von schwarzen Strichen sind mit der BMW nicht angesagt. Ganz Sportler geblieben, verlangt sie nach hohen Drehzahlen, was das Fahren dann schon wieder hektisch werden lasst. Zum Powercruisen fehlt es ihr zwischen 3000 und 7000 Touren einfach an Druck.
Dafur kommt sie mit der heftigen Angaserei deutlich besser zurecht als der Pilot. Die Wunderlich-Crew spendierte der Piranha nicht nur ein komplettes Ohlins-Fahrwerk (Racing-Cartridge vorne und TTX-36 hinten), sondern auch leichte PVM-Rader in den originalen Dimensionen. Derart gerustet biegt die BMW nicht nur spielerisch ab, sondern liegt trotz fehlender Verkleidung wie ein Brett. Ruckmeldung und Lenkprazision sind auf sehr hohem Niveau, sogar ihr Geradeauslauf bleibt stabil, solange man nicht allzu verkrampft am Superbike-Lenker hangt.
Nicht verkrampft, eher sehr penibel fallt das Finish der Wunderlich-RR aus. Allein die Lackierarbeit ist ein absoluter Hammer und betont die sehr aufgeraumte Optik zusatzlich. Am Heck zum Beispiel entfallt das Rucklicht, welches nun in den Blinkern integriert ist. An der Front fehlen herkommliche Blinker, diese wurden durch schmale LED-Streifen innerhalb der Kuhlerverkleidung ersetzt. Der aus Aluminiumblech geformte Motorspoiler sollte allerdings nochmals uberarbeitet werden. Er nimmt bei gro?er Schraglage Bodenkontakt auf, was nicht gefahrlich, aber unnotig ist. Auch die Lampenmaske ist etwas gewohnungsbedurftig. Sie fallt doch sehr "Streetfighter"-ma?ig aus, was nicht jedermann gefallen mag, aber auch nicht muss. Geschmack ist eben individuell und das ist auch gut so.
Ohne Frage gingen die Buben in ihrem Erlangener Triplespeed-Headquarter beim Umbau ihrer KTM 1190 RC 8 sehr stilsicher zu Werke. Allerdings entwarfen sie auch keine eigene Lampenmaske, sondern bedienten sich im KTM-Regal, um ihrer SD 8 ein neues Antlitz zu verleihen. Jetzt blo? nicht denken "Verkleidung runter, Lampenmaske rauf - alles gut". Nein, die Gestaltung der SD 8-Front forderte ihren Tribut. Viele, ja sogar sehr viele Arbeitsstunden und insgesamt drei Lampenmasken waren notig, um das jetzt sehr stimmige Arrangement hinzubekommen. Als problematisch erwies sich die Platzierung von Cockpit und Maske, da der originale Verkleidungs- und Ansaugkanalhalter sehr weit uber das Vorderrad hinaus steht und daher stark verandert werden musste. Eine weitere Herausforderung stellte die Unterbringung allerlei kleinerer Bauteile dar, die bislang hinter dem Plastikkleid versteckt waren. "Mission accomplished" kann man getrost behaupten, denn optisch ist die SD 8 definitiv gelungen.
Freie Fahrt fur freie Burger, also rauf auf die KTM und den Hahn spannen. Im Gegensatz zur Wunderlich-BMW tragt die Triplespeed-KTM nicht mehr ihre RC 8-Lenkerstummel, sondern einen LSL-Rohrlenker. Das fuhlt sich zunachst gut an und sorgt fur eine extrem lassige und entspannte Sitzposition, bringt aber auch einen klaren Nachteil mit sich. Der Oberkorper des Piloten baut breiter als mit Stummeln und die Lenkimpulse, die er bei hoher Geschwindigkeit uber Schulter und Oberarme ins Motorrad einleitet, fallen heftiger aus. So tendiert die SD 8 vor allem beim starken Beschleunigen zu teils heftigem Ruhren in der Lenkung. Dies kann auf schlechten Stra?en durch Kanten oder Bodenwellen schnell zu Lenkerschlagen fuhren, dem der Pilot schonungslos ausgesetzt ist, da leider der serienma?ige Lenkungsdampfer entfernt wurde.
Von dieser unangenehmen Eigenschaft einmal abgesehen, verhalt sich die SD 8 in allen anderen Lebenslagen lammfromm. Ihr 1190er-Twin generiert jederzeit satten Schub, druckt quasi ab Standgas heftigst an und sorgt fur exakt die druckvolle Fortbewegung, die man von einem Naked Bike auf der Landstra?e erwartet. Dass der offene Akrapovic-Evo4-Racingauspuff dabei allzu heftig bollert, nervt, denn ohne Ohrenstopsel ist die gewaltige Klangkulisse auch bei niedrigen Drehzahlen kaum zu ertragen. Im Contidrom stort der bassige Auftritt allerdings niemand. Lautstark dreht die SD 8 ihre Runden und macht mit jeder gedrehten Runde mehr Spa?. Der Schub, ihre durch den breiten Lenker und die PVM-Schmiederader nochmals gesteigerte Kurvenwilligkeit, die aktive Fahrerposition und die bissigen Bremsen uberzeugen voll. So schon kann Street-Surfen sein, da braucht es kein sonntagliches Bungee Jumping mehr, um einen nachhaltigen Kick zu bekommen.
Da auch die Triplespeed-SD 8 mit reichlich Qualm gesegnet ist, unterscheidet sich das Fahrvergnugen mit ihr auf der Rennstrecke kein bisschen von dem auf der Wunderlich-Piranha. Ab dem vierten Gang wird es unangenehm zugig und krafteraubend. Da verwundert es nicht, dass der Pilot, ob durchtrainiert oder nicht, lange vor dem Tank leergesaugt ist und entkraftet die Boxengasse aufsucht.
Wahrend Wunderlich seine Piranha-Version der BMW S 1000 RR als Studie bezeichnet, kann die SD 8 bei Triplespeed geordert werden. Auch der Umbau eines vorhandenen Fahrzeugs ist moglich, der Preis dann vom Arbeitsaufwand abhangig. Wer also Kratzer in der Verkleidung seiner RC 8 oder S 1000 RR hat, der kann sich Gedanken machen, ob nicht so ein heftiges Naked Bike das richtige fur ihn ist.
Fazit: Weder die BMW S 1000 RR noch die RC 8 legen ihren Charakter mit der Verkleiung ab. Gerade deswegen passt das nackte Leben besser zur KTM als zur sehr drehzahllastigen Bayerin.

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