In diesem Artikel: Triumph Speed Triple
Ha, erwischt: Die Gummis sind die gleichen. Nein, nicht die Reifen, sondern die Griffgummis. Dabei haben sie doch geprahlt, alles au?er dem Motor sei neu. Aber zugegeben, man muss sich schon ziemlich tief in die Materie hinein wurschteln, um die wenigen identischen Teile zwischen alter und neuer Speed Triple zu selektieren. Auf den ersten Blick sehen beide Speedies - abgesehen von den in Fachkreisen hei? diskutierten Scheinwerfern - beinahe gleich aus. Bei naherer Betrachtung wird jedoch schnell klar, dass sie ganze Arbeit geleistet haben, die Briten.
Ein vollig neuer Rahmen, neue Schwinge, neue Federung vorn und hinten, neue Bremsen - jetzt optional mit ABS. Und dann noch der ganze Kleinkram von der Elektrik bis zum Seitenstander, alles neu, alles anders - woaahh.Wozu dieser betrachtliche Aufwand? Zunachst einmal geht es bei einem Modellwechsel naturlich immer um die Show, um aktuelle Designtrends, ums frische Outfit. Diesen Job ubernehmen in erster Linie die erwahnten Schlitz- statt Glupschaugen-Scheinwerfer. Aber hinter einer Uberarbeitung steckt - hoffentlich - auch das Bestreben, die Maschine technisch zu verbessern, Schwachstellen auszubugeln.
Ob das im Fall der Speed Triple gelungen ist? Am besten einfach mal ausprobieren. Sudfrankreich im Dezember. Vor den beiden Testmaschinen liegt das tollste Testgelande der Welt. Gib uns 1000 Quadratkilometer in der herrlichsten Landschaft, einen Stra?enbautrupp zur freien Verfugung - man konnte es nicht besser machen. Verwinkelte Passe, schnelle Verbindungsstra?en, gebugelter Asphalt, grobste Hoppelpisten, hier gibt es einfach alles, hier trennen sich Spreu und Weizen. Und genau hier gehort ein Motorrad wie die Speed Triple hin. Immer und uberall Qualm im Uberfluss, aber kein uberflussiger Schnickschnack, den Helm frei gegen den Fahrtwind gestemmt. Eben die pure Fahrmaschine, das gilt fur die Alte wie fur die Neue. Und zwar gleicherma?en. Denn den einzigartigen Charakter, den ganz speziellen Reiz hat bei der Speedy schon immer das Herz, der kernige Drilling mit dem unnachahmlich knorrigen Sound und seinem einzigartig sproden Charme ausgemacht. Und der bildet ohne Eingriffe in die Hardware die Basis des neuen Modells.
Im direkten Duell geht die Neue aber einen Hauch besser, hat vor allem ab dem mittleren Bereich und ganz oben noch einmal einen Tick zugelegt. In der Spitze weist das Prufstandsprotokoll immerhin funf zusatzliche PS aus, beim Drehmoment sind es acht Nm mehr. Warum das? Der Grund ist weniger im neuen Mapping zu suchen, als in der
gro?eren Airbox sowie in der vollig neuen Auspuffanlage, deren dickere Krummer auch optisch mehr hermachen als die durren Rohrchen des Oldies. Etwas ansprechender konnte man sich allerdings die angeschwei?te Abzweigung vor den Schalldampfern vorstellen, das sieht ein wenig nach Klempnerarbeit aus. Aber gut, solange es denn funktioniert.
Mehr Power ist immer nett, in der Praxis halt sich der Unterschied aber in Grenzen. Ein Hauch hier, ein paar Zehntel da: Die Messwerte liegen auf gleichem Niveau. Subjektiv fuhlt sich die Vorgangerin sogar zunachst unten herum einen Tick bissiger an. Sie reagiert im Teillastbereich harter, spontaner auf Gasbefehle, was im Gegenzug allerdings die Lastwechsel im Kurvenscheitel ruppiger gestaltet. Situationen, die die Nachfolgerin mit mehr Finesse meistert. Weich gespult wirkt sie dennoch keineswegs, Druck ist immer da.
Wie leicht festzustellen ist, wenn man den Drilling volle Hebel aus der Kurve schnalzen lasst. Nur ganz selten gibt es aus unerfindlichen Grunden mal eine leichte Verzogerung in der Gasannahme. Aber Schwamm druber, ernsthaft stort das nicht. Was im Ubrigen auch fur die nach wievor etwas knochige Schaltung gilt, an die man sich gewohnt. Nun konnten Spitzfindige einwenden, dass die neue doch eigentlich besser abziehen musste, weil sie hinten einen Zahn kurzer ubersetzt ist. Doch gleicht das gro?ere Kettenblatt nur den gro?eren Abrollumfang des 190er-Hinterradreifens gegenuber dem bisherigen, kleineren 180er aus. Das Gangdiagramm beweist, dass die Gesamtubersetzungen praktisch identisch ausfallen.
Womit wir also beim Fahrwerk waren, wo ja die gro?eren Fortschritte zu erwarten sind. Da muss man zunachst einmal rekapitulieren: Was war eigentlich das Problem bei der alten, die doch in den Vergleichs-tests immer im Spitzenfeld zu finden war? Zum einen wurde zumindest zwischen den Zeilen ein wenig an der Schwerfalligkeit im Handling herum genorgelt. Auch ist die Lenkprazision nicht uber jeden Zweifel erhaben, wie das wuste Kurvengefrickel am Col d‘Espigoulier in Erinnerung ruft. Und besonders auf der stra?enbaulichen Flickschusterei im oberen Abschnitt reagiert die alte Speedy mit trockenen Schlagen ins Hinterteil des Fahrers.
Triumph erkannte schnell, dass man hier mit kleinen Modifikationen nicht weiter kommt, und entschied sich fur ein komplett neues Chassis vom Steuerkopf bis zur Hinterradachse. Des Pudels Kern: Das Gewicht musste trotz gleichen Motors weiter nach vorn verteilt werden. Ohne Fahrer bringt die alte 114 Kilogramm hinten auf die Waage, vorn nur 109. Das ist old style, heutzutage belastet man die Frontpartie starker. Mit der Verlagerung der Batterie vom Heck zum Lenkkopf und weiteren Ma?nahmen ist die aktuelle Gewichtsverteilung fifty-fifty, gut 110 Kilogramm auf jeder Achse.
Mit Fahrer wird der Unterschied noch gro?er, denn der wird nun 2,5 Zentimeter nach vorn geruckt, was neben dem bequemeren Sitzpolster den ergonomischen Verhaltnissen zugutekommt. Man sitzt versammelter, besonders kurz Geratene mussen sich weniger nach dem Lenker strecken. Und die Taille wurde schmaler. Seltsam nur die unsymmetrisch angebauten Spiegel, nachdem Triumph die Bremsarmatur tauschte. Doch bevor wir uns in die Bremsen verbei?en, noch einmal zuruck zum Fahrwerk, an dem nicht nur die Gewichtsverteilung verschoben, sondern auch die Lenkgeometrie korrigiert wurde: steilerer Lenkkopf, mehr Nachlauf, mehr Radstand. Alles zusammen ergibt spurbare Fortschritte im Lenkverhalten, geschmeidig und neutral wieselt die Speed Triple durch das sich krauselnde Asphaltband. Wahrend man auf dem „Oldie“ immer etwas nachjustieren, korrigieren, am Lenker arbeiten muss, umrundet die Nachfolgerin Kurven jeglicher Radien wie von allein.
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Das verleiht ihr in Kombination mit dem sanft ansprechenden Motor eine hinrei?ende Geschmeidigkeit. Passkontrolle also mit Bravour bestanden. Der Fahrer der alten kann das Tempo sicher mitgehen, aber leichte Schwei?perlen auf der Stirn kunden von erhohter Konzentration und entsprechendem Adrenalinaussto?.
Gut, dass die Reifen bei harter Fahrweise keine unliebsamen Uberraschungen bieten. Wie andere aktuelle Modelle hat Triumph auch die Speedy auf supersportliche Gummis gestellt. Prinzipiell ein durchaus fragwurdiger Trend. In diesem Fall jedoch unkritisch, denn die Metzeler Racetech K3 leisten ihren Beitrag zum locker-flockigen Lenkverhalten und haften selbst bei niedrigeren Temperaturen und rutschigen Streckenverhaltnissen noch ordentlich.
Wobei in schnellen Wechselkurven die Masse nicht wegzudiskutieren ist. Eine 675er-Street Triple fahrt in einer anderen Liga, damit kann sich auch die neue Speedy nicht messen. Aber immerhin unterbietet die neue auf der Waage trotz ABS die alte um ein paar Kilogramm, die vornehmlich an gefederten Massen eingespart wurden.
Und das konnte durchaus eine kleine Rolle beim spurbar verbesserten Abrollkomfort spielen. Entscheidend ist dabei jedoch die komplett geanderte Hebelei der Hinterradfederung, die nun weniger progressiv arbeitet. Hoppelt die alte selbst bei geoffneter Dampfung unwirsch uber kleine Kanten und Wellen, schluckt die neue diese viel besser, ohne Transparenz vermissen zu lassen.
Das fuhrt dazu, dass man bei der alten die Dampfung tendenziell immer weiter offnen will, bei der neuen ohne Komforteinbu?en mit strafferer Abstimmung fahren kann. Trotz der vielen kleinen Fortschritte: Zum Alteisen degradieren sie die bisherige Speed Triple keineswegs. Am Ende konnte aber moglicherweise ein Kriterium den Ausschlag bilden, bei dem diese kapitulieren muss: das ABS. Die neue Speed Triple bekam das gleiche Nissin-ABS wie die 800er-Tiger, das erheblich feiner und besser regelt als das ABS in der kurzlich getesteten Sprint GT. Auch im Regelbereich bleibt die Speed Triple immer satt und stabil am Boden, fuhrt keine Bocksprunge auf, was kurze und leicht reproduzierbare Bremswege ergibt. Der Handhebel pulsiert dabei nur minimal. Feedback und Wirkung beim normalen Bremsen au?erhalb der ABS-Regelung sind kaum beeintrachtigt.
Die alte Speed Triple halt also das, was die knorrige Optik verspricht. Sie ist rauer, ruppiger. Die neue kann alles - fast alles - besser. Und bei den Griffgummis gab es nun wirklich keinen Handlungsbedarf.